In der Vergangenheit war die Sache klar: der Urlaub verfällt zum Jahresende. In manchen Fällen erhält man als Arbeitnehmer noch eine Karenzzeit im Folgejahr, aber dann ist der Resturlaub in der Regel verloren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sieht die Sache seit einiger Zeit jedoch anders und hat in seinem letzten Urteil (AZ 9 AZR 541/1) festgestellt, dass ein automatischer Urlaubsverfall nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.
Resturlaub verfällt nicht mehr automatisch
In vielen Fällen sind sich Mitarbeiter, die sich stark für ihr Unternehmen engagieren nicht sicher, wie viele Urlaubstage ihnen noch zustehen. Dazu kommt, dass die Situation im Betrieb häufig gar keinen Urlaub zulässt. Wenn der Urlaub dann am Jahresende verfällt, werden ausgerechnet diejenigen Mitarbeiter "bestraft", die sich das ganze Jahr für das Unternehmen eingesetzt haben. Da Urlaub aber ein gesetzlich verbrieftes Recht ist, hat das BAG alle Arbeitgeber verpflichtet:
- "klar und rechtzeitig" zu informieren, dass noch Urlaubstage offen stehen
- die Möglichkeit zu schaffen, den Resturlaub tatsächlich zu nehmen
- genau aufzuklären, unter welchen Bedingungen die restlichen Urlaubstage sonst verfallen
Wenn das Unternehmen diese Bedingungen nicht beweisbar einhält, bleibt der Urlaubsanspruch bestehen.
Europa kippt deutsche Rechtsprechung
Das BAG folgt damit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), der bereits 2018 die deutsche Praxis für unzulässig erklärt hat (Urteil C-684/16). Die Regelung, dass Urlaub automatisch am Jahresende, spätestens jedoch Ende März des Folgejahres verfällt, steht nicht im Einklang mit Europarecht. Nach der europäischen Gesetzgebung muss der Arbeitgeber nachweisen, dass er seine Mitarbeiter rechtzeitig und umfassend über Resturlaub informiert hat und die Möglichkeit bestand, den Urlaub wirklich zu nehmen. Die Unternehmen müssen alle gebotene Sorgfalt aufwenden, um ihre Mitarbeiter tatsächlich in die Lage zu versetzen, den Jahresurlaub anzutreten.
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Information durch den Arbeitgeber wird Pflicht
Ein wichtiger Punkt der neuen Regelung besteht in der Pflicht, die Mitarbeiter über Resturlaubstage rechtzeitig zu informieren. In der Vergangenheit war es Sache des Arbeitnehmers, seine verbleibenden Urlaubstage zu kennen und frühzeitig einen Urlaubsantrag zu stellen. Wenn er nicht aktiv wurde, verfiel der Anspruch automatisch.
Dieses System hat sich nun umgekehrt. Zukünftig müssen die Unternehmen ihre Mitarbeiter beweisbar über verbleibende Urlaubstage informieren. Die Information muss so rechtzeitig erfolgen, dass eine sinnvolle Urlaubsplanung noch möglich ist. Außerdem müssen die Arbeitgeber nachweislich auf den Verfall hingewiesen haben, wenn der Arbeitnehmer die restlichen Urlaubstage nicht in Anspruch nimmt. Da die Unternehmen dafür in der Beweislast stehen, müssen sie diese Schritte dokumentieren. Vermutlich werden die meisten Unternehmen ein schriftliches System mit entsprechender Empfangsbestätigung einführen.
Vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch?
Allerdings müssen Arbeitnehmer aufpassen. Dies gilt nicht unbedingt für den gesamten vertraglich zugesicherten Urlaub. Die Rechtsprechung erlaubt ausdrücklich andere Regelungen für den Urlaub, der über den gesetzlichen Anspruch hinausgeht. Es ist davon auszugehen, dass das BGH-Urteil insbesondere bei dem gesetzlichen Urlaubsanspruch Anwendung finden wird. Unternehmen werden also darauf achten, zu vereinbaren, dass zuerst der gesetzlich vorgeschriebene Mindesturlaub genommen wird, damit dieser am Jahresende verbraucht ist. Ob die strengen Regeln für den Verfall des darüber hinausgehenden, vertraglich vereinbarten Urlaubs ebenfalls gelten, werden zukünftige Gerichtsentscheidungen klären müssen.
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